Frage: Herr Hartmann, bekanntlich hat Ihr Haus die Filiale Lienen zum 01.03.21 zu einem SB-Standort verändert. Wie passt ein solcher Schritt zu einer Genossenschaftsbank, die die Nähe zu ihren Kunden halten möchte?
Hartmann: Wir erleben nicht erst seit gestern einen großen Wandel im Kundenverhalten. Die Digitalisierung schreitet ungebrochen voran und so nehmen in gleichem Maße die Kundenfrequenzen an den kleineren Standorten ab. Komplexe Finanzprodukte, wie Baufinanzierungen, Wertpapieranlagen, Altersvorsorgelösungen oder erbschaftsrechtliche Themen werden an unseren größeren Standorten beraten. Einfachere Dienstleistungen werden heute vielfach mit technischer Unterstützung und sehr bequem von unseren Kunden selbst durchgeführt. Aber Sie haben recht, die Nähe zu unseren Mitgliedern und Kunden bleibt für uns essenziell. So stellen wir auch weiterhin alle Beratungs- und Serviceleistungen in unserer Kompetenzcenter-Filiale Lengerich zur Verfügung. Hier bündeln wir alle Kompetenzen zum Wohle unserer Kunden.
Frage: Aber wie wollen Sie sicherstellen, dass die älteren Menschen in Ihrer Kundschaft, die den kurzen Weg in eine Filiale benötigen, nicht abgehängt werden?
Hartmann: In den Jahren 2018 und 2019 ist unser Online-Geschäft um fast 50 % gewachsen, das mobile Bezahlen sogar um mehr als 110 %. Unser Kunden-Dialog-Center ist heute schon die mit Abstand größte Filiale. Hier können unsere Kunden rund um die Uhr und an 7 Tagen in der Woche verschiedene Services telefonisch abrufen, bequem von zu Hause aus. Oder sie nutzen die einfachen und sicheren Lösungen unseres Online-Bankings. Wir erleben es jeden Tag, dass auch unsere ältere Kundschaft diese Lösungen stark nutzt. Statistisch gesehen hat die Gruppe der über 60-jährigen bundesweit die stärksten Zuwächse beim Onlinebanking. Das stellen wir auch bei uns fest. Auch Videoberatungen für umfangreiche Themen werden schon vielfach genutzt. Jüngstes Beispiel: ein älterer Herr jenseits der 80 nutzte auf Empfehlung seines Beraters in Lengerich dieses Medium und zeigte sich schlicht begeistert. Sie sehen, Nähe zu unseren Kunden definiert sich heute zum Teil anders als die räumliche Entfernung zur nächsten Filiale. Zur Verdeutlichung noch eine Zahl: auf einen Kundenbesuch in einer Filiale kommen heute 500 (!) Kontakte über mediale Zugangswege.
Frage: Aber sind Filialen auf Sicht dann nicht ein Auslaufmodell?
Hartmann: Keineswegs. Die renommierte Wyman-Studie „Bankfiliale der Zukunft“ prognostiziert zwar, dass in Deutschland bis zum Jahre 2030 weitere 13.000 Bankfilialen geschlossen werden. Wir kennen die Vielzahl an Gründen: Kostendruck, Negativ-Zins-Politik, Regulatorik, Wettbewerb, die erwähnte Digitalisierung, etc. Dennoch wird die Filiale gemäß Studie für etwa 60 % der Kunden als Beziehungsanker relevant bleiben. Anders gesagt: Persönliche Beratung ist weiterhin sehr wichtig. Diese bieten wir ja nicht nur in Lengerich, sondern auch wie bisher schon beim Lienener Kunden zu Hause oder im Einzelfall auf Termin in unserer SB-Stelle Lienen an. Wir sind zuversichtlich, dass wir damit auch in Zukunft die Nähe zu unseren Mitgliedern und Kunden mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen sicherstellen können.
Frage: Herr Hartmann, vielen Dank für das Gespräch.